50 Jahre Siedlung Mascheroder Holz – Chronik der Südstadt

50 Jahre Siedlung Mascheroder Holz
– Chronik der Südstadt –

Die Dorfkirche in Mascherode (Foto: Wikipedia)

Wohnraumbedarf – ein historisches Thema

Wohnraumbedarf – ein historisches Thema

Wollte man die Chronik eines Dorfes schreiben, so müßte man die Geschichte der einzelnen Höfe und der Kirchen erforschen und zusammenstellen. Alte Akten, Dokumente und besonders die Kirchenbücher sind hier die wichtigsten Quellen. Ein Dorf ist organisch gewachsen. Es ist dort entstanden, wo der Mensch, dank fruchtbarer Erde, eine gute Ernte einbringen und ausreichend leben konnte.

Anders ist es bei den Siedlungen der Neuzeit – wie z. B. der „Südstadtsiedlung Mascheroder Holz“ -, die auf dem Reißbrett entworfen und dort gebaut wurden, wo eine günstige Lage zu den Arbeitsstätten und geeigneter Grund und Boden für den Hausbau vorhanden waren. Die neugeschaffenen Siedlungen sollten aber nicht nur günstig zu den Industriegebieten, sondern auch in der Nähe von Erholungsflächen liegen.

Der Grund sowohl für die Errichtung neuer Höfe und Dörfer als auch für den Bau neuer Siedlungen war jedoch stets derselbe, nämlich der Bevölkerungszuwachs.

Am Ende des 19. Jahrhunderts strömten Hunderttausende in die Industriezentren, um neue und besser bezahlte Arbeit zu finden. Hatte das Deutsche Reich im Jahre 1880 elf Städte mit 100000 Einwohnern, so waren es 1914 bereits 50 Städte dieser Größenordnung. Diese Bevölkerungskonzentration bedeutete gleichzeitig Wohnungsnot. Durch einen verstärkten Wohnungsbau, der hauptsächlich aus dem Bau von billigen „Mietskasernen“ bestand versuchte man, den rasch gestiegenen Bedarf an Wohnungen zu decken.

Im Ruhrgebiet wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert von den Zechen und von der Firma Krupp mehr als 100.000 Betriebswohnungen gebaut, allein von der Firma Krupp 25000. Die Werkswohnungen banden die Arbeiter jedoch stärker an das Unternehmen, weil eine Kündigung der Arbeitsstelle gleichzeitig die Kündigung der Wohnung zur Folge hatte.

Die meisten Werkswohnungen waren, gemessen am Standard ihrer Erbauungszeit, gute Wohnungen, und die Siedlerstellen brachten sogar zum Teil städtebaulich interessante Lösungen hervor. Gerade in den letzten Jahren wurde mit Erfolg um den Erhalt dieser Siedlungen gekämpft.

Wohnungsbau in Braunschweig nach dem Ersten Weltkrieg – Luftaufnahme des Bebelhofes 1929 (Foto: Städtischer Bilddienst Braunschweig)

Wohnungssituation nach dem Ersten Weltkrieg

Wohnungssituation nach dem Ersten Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg kam der Wohnungsbau fast zum Erliegen, so daß sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt erheblich verschärfte. Dazu kam, daß Familien in Armenhäusern untergebracht werden mußten, da sich viele Vermieter weigerten, Familien in leerstehende Wohnräume aufzunehmen.

Um die Wohnungsnot zu beseitigen, befaßte sich in Braunschweig die Landesversammlung im Sommer 1917 mit diesem Problem und setzte eine Parlamentskommission ein. Hierzu wurde auch August Wesemeier, der Vorstandsmitglied der Braunschweiger Baugenossenschaft und Vorsitzender des Gewerkschaftskartells war, eingeladen, da die Regierung ohne Hinzuziehung von Arbeitervertretern Entscheidungen nicht mehr treffen wollte. Ende März 1918 verabschiedete dann die Landesversammlung ein Siedlungs- und Heimstättengesetz. Es sah die Förderung von Heimstätten und die Schaffung von bäuerlichen Kleinsiedlungen vor. Das Kleinhaus mit Garten und höchstens 2 Wohnungen – in der Stadt Braunschweig bis zu 6 Wohnungen – war der wünschenswerte Siedlungstyp.

Zur Verwirklichung dieser Pläne waren folgende Maßnahmen vorgesehen:
Gründung einer gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft, Übernahme staatlicher Bürgschaften für Hypotheken, Ausdehnung der Beleihungsgrenze des Herzoglichen Leihhauses und die Schaffung einer besonderen Rechtsform der Heimstätte. Konkrete Maßnahmen wurden in der Kriegszeit nicht mehr unternommen, und erst 1919 wurde die Braunschweigische Siedlungsgesellschaft gegründet.

Die Reichswohnungszählung im Jahre 1927 ergab z. B., daß 591000 oder 6,4 sämtlicher Haushalte zwar eine eigene Hauswirtschaft führten, aber mit einer anderen Haushaltung eine gemeinsame Wohnung bewohnten.

Hierbei ist es interessant festzustellen, daß der Anteil dieser „zweiten und weiteren Haushaltungen“ an der Gesamtzahl der Haushaltungen mit Zunahme der Gemeindegröße anstieg. Diese Ergebnisse der Reichswohnungszählung bestätigten, daß die Wohnungsnot und der Wohnungsbedarf in den Städten am größten und dringlichsten waren. Den Fehlbestand an Wohnungen schätzte man im Jahre 1925 auf annähernd 1 Million Wohnungen.

Mit dem Aufkommen aus der im Jahre 1926 im Lande Braunschweig eingeführten Hauszinssteuer sollte u. a. der Wohnungsbau finanziert und angekurbelt werden.

Während das Bauprogramm für die Jahre 1926 bis 1930 vollständig durchgeführt werden konnte, trat im Jahre 1931 eine Wendung ein. Für die Stadt Braunschweig standen 1020000 RM aus dem Hauszinssteueraulkommen zur Verfügung. Infolge der Geldknappheit waren jedoch auf dem freien Kapitalmarkt fast keine Bauhypotheken zu erhalten.

Fertiggestellte Wohnungen in Braunschweig

  Tabelle seitlich verschiebbar   

Rechnungsjahr Insgesamt 3 Zi 4 Zi  5 Zi ≥ 6 Zi
1926 373 13 197 126 37
1927 911 142 632 105 32
1928 772 108 520 133 11
1929 1074 79 863 91 41
1930 1030 305 582 139 4
1931 280 172 70 30 8
1932 132 75 37 6 14
zusammen 4.572 894 2.901 630 147

Zi=Zimmer; Zimmerzählung inklusive Küche

Auch die Braunschweigische Landesregierung tat nichts, um die daniederliegende Bauwirtschaft anzukurbeln, z. B. das Siedlungsprojekt Lehndorf (geplante Kleinsiedlung) zu fördern. Im Jahre 1933 wurde unter dem Motto „Auflockerung der Großstädte“ mit der Sanierung der Altstädte begonnen.

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